Auszeit

Wir sind die letzten Wochen nicht besonders weit weg von Agadir gekommen, uns im Umkreis des Flughafens bewegt.

Conny ist am 19.1. für eine Ausbildung nach Berlin geflogen, und kurz davor ist unser Freund Frankie angekommen, zu Besuch und um mir zu helfen, wenn Conny nicht da ist. 

Heute ist Frankie wieder abgereist, und die Pilotin kommt erst in drei Tagen zurückgeflogen.

Darum sitze ich jetzt in Sidi Bibi auf einem komfortablen Campingplatz und habe plötzlich so etwas wie eine Auszeit. Drei Nächte lang niemanden um mich herum. Was mache ich mit soviel Freizeit? Natürlich erstmal gepflegt faulenzen! (Naja nicht ganz, der Artikel schreibt sich nicht von selbst…)

Tiznit

Nachdem ich zuletzt viel vom frei stehen geschrieben habe, wollten wir das dann auch wieder tun: bisschen oberhalb von Taghazoud gibt es ein kleines bunt angemaltes Dörfchen mit Surferstrand, wo wir ein schönes Plätzchen finden. Am nächsten Morgen muss es dann aber plötzlich schnell gehen: der Frankie ist am Flughafen angekommen! Wir waren uns völlig sicher, dass er erst am nächsten Tag kommen würde… die Wochen- und Kalendertage sind nicht so richtig im Fokus auf unserer Reise, nicht selten müssen wir erstmal nachrechnen, was für ein Tag gerade ist… dieser jedenfalls ist heute und nicht morgen, und wir düsen hektisch los von unserem schönen Strand. Zum Glück muss Frankie nicht allzu lange warten, wenigstens sind die Temperaturen andere als im nasskalten Berlin.

Wir fahren zusammen nach Sidi Ouassay, wieder auf einen Campingplatz direkt am Strand. Hier soll der Gast sich akklimatisieren, so der Gedanke. Der Strand ist sehr angenehm und wir verbringen da auch die meiste Zeit, im Restaurant auch einige, und freuen uns über die Nachrichten von Zuhause, was macht der Freundeskreis, was ist los in der Ferne. 

Ziegen im Arganbaum

Dann haben wir Lust auf etwas Neues und fahren ein Stück die Küste hinunter. Unterwegs kümmern wir uns endlich um das Gasproblem: die Befüllflasche kommt in die Heckgarage (unermüdlich schafft die Pilotin Platz und schichtet das ganze Zeug hin und her, damit das möglich wird) und mittels Adapter (französische Flasche an deutscher Anlage) schließen wir die Marokkanische Flasche an. Die Gasflaschen stehen in Marokko vor jedem kleinen Laden, in Rot, Metallicblau, Orange oder Gold. Man kann nur gleiche Farben gegeneinander tauschen. Für 15€ bekomme ich eine fast neue rote, wir schließen sie an und es funktioniert! Herd und Heizung laufen, ich bin erleichtert, wie recht häufig habe ich mir viel mehr Gedanken gemacht als das Problem groß war… 

Auch dieses Huhn hat keine Sorgen

Wir finden einen Standplatz neben einer Entsalzungsanlage und zum ersten Mal bekommen wir Besuch von einem „Offiziellen“ der Gemeinde, der uns erklärt, dass wir da nicht stehen dürfen, aber die eine Nacht ausnahmsweise bleiben dürfen. Und gegen 21h kommt auch noch das Militär vorbei und nimmt freundlich unsere Personalien auf „zu unserem Schutz“.  Auch sie lassen uns bleiben. Wir sind hier nicht mehr weit weg von den Kanaren, und offenbar gibt es Schmuggler an der Küste. Wir haben jedenfalls keine Sorge, morgen wollen wir ohnehin weiter.

Hinter dem Strand ragt eine Klippe in die Höhe, hier oben herrschen am nächsten Tag beste Bedingungen, einmal für ein Frühstück in der Sonne für uns, und dann für etwa zwei Dutzend Paraglider, die hier fröhlich in den Abgrund springen. Die vielen bunten Gleitschirme und die völlig lautlosen Flugkünste sorgen für eine tolle Atmosphäre.

Weiter geht es nach Tiznit. Beide Stellplätze hier sind voll, also bleiben wir neben einem Park Parkplatz mit ein paar anderen Campern. In der Stadt ist allerdings irgendwie überhaupt nichts los, viele Läden geschlossen, wenig Menschen unterwegs. Sitzen die Camper alle in ihren Wohnmobilen?

Nix los in Tiznit

Wir gehen in ein Lokal zum Abendessen, wo es laut Rezension auch Wein geben soll, und der Kellner bringt jedem von uns mit Freuden ein Glas „zwinker“ Apfelsaft „zwinker zwinker“. Alkohol gibt es in Marokko nur in Spezialgeschäften  in den größeren Städten, und nur selten offiziell in Restaurants. Solange wir ein Dach über dem Kopf haben, scheint Allah nicht sehen zu können, was wir hier unten so treiben, so wurde uns erklärt…

Am nächsten Morgen geht es zurück nach Agadir – die Pilotin fliegt nach Berlin und ich habe jetzt einen Piloten! 

Nochmal sauber machen

Der wird auch gleich gefordert. Kaum eine Stunde sind wir unterwegs, da hören und spüren wir nach der Kaffeepause ein klackern hinten links. Da hat sich zwischen den Zwillingsreifen ein Stein so ungünstig eingeklemmt, dass er nur mit viel Mühe und Gewalt vom Piloten befreit werden kann. Bei der Gelegenheit bemerke ich, dass ich weder einen  Hammer noch einen passenden Radschlüssel dabei habe. Beim Werkzeug einpacken war ich einfach nicht auf voller geistiger Höhe 😉

Wir fahren jetzt Richtung Tafraoute, da gibt es Autowerkstätten, und wir wollen mal sehen ob die unser Loch aus Frankreich und die diversen Dellen und Macken reparieren können. Vorher aber bleiben wir über Nacht nochmal stehen, der Platz ist in einem stillen Tal abseits der Hauptstraße, hier ist kein Tier, kein Mensch, nichts macht Lärm.

Stille Stelle

Laut Google ist die Lackiererei von Mohamed Farih in Tafraoute die erste Anlaufstelle, und wir werden nicht enttäuscht. Kaum sind wir da, schaut der Chef sich alles an, dann weist er uns in den Parkplatz und schon sind die Mitarbeiter am schleifen. Details wie die Dauer –  „Today“ (sollte eigentlich two days heißen) oder Kosten (irrelevant bei der kleinen Sache) klären sich im laufe der Zeit. Der Ort liegt wunderschön von Bergen umrahmt, die je nach Sonnenstand in unterschiedlichen Rottönen leuchten. Wir spazieren zu den verschiedenen Restaurants zu Frühstück oder Abendessen, dazwischen gibt es Kaffee oder Saft, und ein paar Souvenirs.

Geschlafen wird direkt auf der Straße vor der Werkstatt, wo sich immer mehr Camper einfinden, die etwas zu reparieren haben. Auch komplette Neulackierungen werden erledigt. Irgendwann stehen bestimmt 15 Wagen da, es herrscht entspannte Stimmung, man sieht warum die Werkstatt einen solch guten Ruf hat.

Der Lack kommt spät aus Agadir, und abends wird es hier in den Bergen zu kalt zum Lackieren, also bleiben wir noch eine dritte Nacht, aber dann sind wir morgens um zehn als erstes dran, lackiert wird auf dem Gehweg mit Pistole, zum Glück ist’s nicht so windig. Und schnell ist die Arbeit prima erledigt.

Ein bisschen Sorgen habe ich mir schon gemacht, weil ich mit niemandem über die Kosten gesprochen hatte. Aber am Ende stellt mir Monsieur Farih 1300 Dirham (130€) in Rechnung, und da ist die Wagenwäsche bereits inklusive. Mein Hippie-Vertrauen wurde nicht enttäuscht, und in Deutschland hätte ich wohl das zehnfache bezahlt.

Zwischen Tafraoute und Sidi Ifni

Der Pilot möchte nun nochmal ans Meer – größtmöglicher Kontrast zum winterlichen Berlin – also steuern wir den ganzen restlichen Tag bis nach Sidi Ifni. Dort stehen wir wieder fast direkt am Meer, hoch oben hinter uns die Stadt. Als wir am nächsten Tag dort hinauf wollen, kommt der Pilot ganz schön ins schwitzen, aber schon springt von irgendwoher ein britisches Surferpärchen und hilft uns mit dem Rollstuhl den Berg herauf. „I needed this cardio training!“ – einfach super freundlich!

Auch ein tolles Lokal am Strand mit leckerem Seafood und eiskalten spanischem Bier finden wir, so lässt es sich aushalten.

Weil wir beide gerne Filme sehen und David Lynch gerade gestorben ist, schauen wir uns abends in der Box seine Filme an: Mulholland Drive, Lost Highway, Inland Empire. Es bleibt viel Raum für Interpretationen… 🙂

Gestern dann sind wir also wieder über die Küstenstraße zurück Richtung Agadir, bis zum Campingplatz Le Palmeraie Tifnit. Heute kam das Taxi und nahm den Frankie wieder mit, der doch lieber hier geblieben wäre. Und ich hab den ganzen Tag gefaulenzt, gegessen, und an diesem Text geschrieben. 

Tschüss Frankie! Und Danke!
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Eine Antwort zu „Auszeit“

  1. Und wieder ein sehr schöner Text mit so much positive vibes 🖖


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