Wunderbar!

Die Zeit alleine in Sidi Bibi ist dann doch recht schnell vorbeigegangen – vor einer Woche schon durfte ich meine Pilotin wieder in den Armen halten. Wobei, leider nicht so ganz eng: sie hatte eine veritable Erkältung mitgebracht aus dem winterlichen Berlin. Und auch sonst war sie nicht dieselbe wie zuvor, einerseits die voll mit Arbeit gefüllten Tage und andererseits die schöne Einfachheit des berliner Lebens, wo alle Wege schon bekannt, die Sprache einheimisch, die kulinarischen Angebote abwechslungsreich und die Familie vor Ort ist – das hat ein wenig wehmütige Spuren hinterlassen.

Auszeit am Pool

Hat für sie das Ankommen etwas schwer gemacht und für mich das Willkommen heißen. Muss man sich erstmal in Ruhe lassen, was bei unseren ca 12 m2 gar nicht so einfach ist…

Letzte Tajine am Meer

Möglicherweise dachte der Wind auch, er müsste uns in die richtige Richtung schubsen um wieder auf die Spur zu kommen. Von Sidi Bibi fahren wir nochmal ein Stück die Küste runter, zu den Felsentoren von Legzira, wo zwar freistehen überall verfolgt wird, wir aber wundersamer Weise ein Plätzchen auf einem der Felszungen mit fünf weiteren Wohnmobilen finden, und für die Nacht in Ruhe gelassen werden.

Legzira

Am nächsten Morgen aber pustet es dermaßen stark, dass ich inklusive Rollator fast umgeweht werde und Conny vom Strand hinauf auf allen vieren klettern muss. Danach fällt die Entscheidung leicht: ab ins Landesinnere. Hier ist also der südliche Wendepunkt unserer Reise. Die Westsahara, Mauretanien und der Senegal wartet auf unser nächstes Mal!

Jetzt nach einer Woche ist die Erkältung am abklingen und heute konnte die Pilotin sogar wieder Witze reißen, es wird wieder mit unserem Team. Hängt wohlmöglich auch mit unserem Abenteuer die letzten Tage zusammen, etwas das ganz oben auf der Wunschliste stand: die Wüste! 

Einige wüste Gegenden hatten wir ja schon besucht zuvor, aber da gibt es ja diese Vorstellung von „richtiger“  Wüste: Unmengen von feinem Sand, Schattenspiele in den Dünen, weiße Turbane und dunkle Haut, Palmen in der Oase und Sternenhimmel bis zum Horizont. Die Sahara – der Inbegriff der Wüste – besteht allerdings nur zu zehn Prozent aus  Sand, der überwiegende Rest teilen sich Felsen mit Steinen und Geröll. Für das „echte“ instagrammable Wüstenfeeling muss man also auf die Suche gehen. 

In Marokko konkurrieren hauptsächlich zwei solche „Ergs“ (Wüstenmeere) miteinander – Erg Chegaga bei Merzuga im Osten und Erg Chebbi weiter südlich von Zagora, fast an der algerischen Grenze bei Mhamid. Diese Region war aufgrund der Spannungen mit Algerien lange Zeit militärisches Sperrgebiet und daher auch heute noch nicht besonders touristisch erschlossen, während Erg Chegaga die alteingesessene Bilderbuchwüste des Landes darstellt, entsprechend touristisch entwickelt mit Luxuscamps und Quadtouren- und Dromedaralarm, die Disney Düne quasi. Was natürlich alles Vorurteile sind: dort gewesen bin ich ja nicht!

Die Pilotin hat keine off-road Erfahrung und wird auf Schnee wie Sand schnell nervös, und im Falle des Steckenbleibens wäre ich keine große Hilfe, also haben wir die kilometerlangen Pisten zu den Dünen zunächst ausgeschlossen, die Idee war, bei Mhamid so nahe wie möglich ranzufahren und dann mal schauen. 

Dattelpalmen

Wir bewegen uns nach Osten über Icht, Akka, Tata, Foum Zguid, übernachten auf einem Grundstück mit Hund aber ohne Mensch in Akka, zwischen Dattelpalmen in der Oase Elkassaba und in der (Geröll-)wüste vor Zagora, und da spielt der Zufall uns in die Hände.

Tata
Gerölliger Stellplatz

Die Landschleicher melden sich, sie sind in Mhamid und machen am kommenden Tag gemeinsam mit Jenny & Marcel (die auch mit uns auf der Fähre waren und genauso zufällig dort aufgetaucht sind) eine Wüstentour! Wir checken die Karte – das ist nur noch 2,5h entfernt – und sagen begeistert zu. Ein sensibles Thema – Wüste ohne off-road Erfahrung- löst sich einfach in Luft auf! 

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, düsen ins Camp Hassi Smara nach Mhamid. Die Dörfer hier unten im Süden haben einen ganz anderen Charakter als an der Küste oder  im Norden: die Bauten sind oft ausschließlich aus Lehm, die Bevölkerung besteht zum Großteil aus Berbern, die Atmosphäre ist sehr freundlich aber durch die offensichtliche Armut wird man auch häufiger angebettelt. 

Mhamid hinter schmutziger Scheibe

Im Camp erstmal großes Wiedersehen und Hallo – alle sind aufgeregt und glücklich, dass wir uns so zufällig und passend wieder getroffen haben. Und schon geht es los: unsere Führer im Toyota Geländewagen, die Landschleicher haben Familienbesuch und sind zu fünft im Oldtimer Benz Truck, die „Sachsen-Schweizer“ Jenny und Marcel mit der kleinen Nelly im Sprinter Kasten, und die Box hinterher.

Wir fahren über das Wadi Draa in Richtung der großen Düne Zahar – die Löwendüne. Eigentlich ist es eher ein Hüpfen als ein Fahren – ziemlich schnell fliegen uns alle Gewürzgläser aus dem Regal und der Boxboden ist voller Sesam mit Kurkurma und Brennesselsamen paniert. Durch unsere enorme Höhe ist auch die Neigung nach Rechts und Links enorm, und wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Aber der Sprinter macht mehr mit, als wir erwartet haben, die Pilotin gibt ordentlich Gas und der Allrad zieht uns super durch den Sand. Nur einmal bleiben wir stecken, aber nicht besonders dolle, und alle helfen gleich und schaufeln uns schnell wieder raus. Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir bei der Düne an – die echte Bilderbuchdüne – und während unsere Führer Omar und Mohamed ein Zelt aufbauen, Feuer und die Tajine klarmachen, klettern wir auf den nächsten Sandhaufen und stoßen im goldenen Licht der letzten Sonne auf unser Abenteuer an. 

Carlos schaut Sand

Nach dem leckeren Essen mit Sandbrot aus dem Feuer – unfassbar gut – verabschieden sich alle recht bald  – wir sind alle sehr müde und morgen geht es ja wieder zurück! 

Die Landschleicher mit Mond

Conny genießt den Sonnenaufgang mit Blick auf das riesige Wüstenmeer, Omar und Mohamed versorgen uns mit Berberomelette, Tee und Kaffee, und so gestärkt geht es wieder zurück. Die beiden Berber sind sehr angenehme Guides, sie haben schnell unsere Nicht-Erfahrung erkannt und finden das richtige Maß an herausfordernder und unterhaltsamer Route. Überhaupt keine Machos und total aufgeschlossen, und man hat den Eindruck es macht ihnen mit uns auch Spaß. 

Wir setzen mittig oben auf einer steilen Sandverwehung auf, da kann auch ein 4×4 nichts mehr ausrichten. Schnell bringt Mohamed das Seil, und dann ist auch dieses Angstthema „Abschleppen“ erstaunlich einfach und schnell gelöst. „Dein Auto ist gut“ sagt Mohamed, „nur dass dein Haus noch hinten drauf ist!“. Weiter geht’s, einmal noch bekommen wir einen dermaßen heftigen Schubs, dass unsere Boombox aus dem Oberschrank erst quer durch den Raum gegen die Tür des anderen knallt und dann auf den Tisch und beidesmal eine ordentliche Macke hinterlässt. Gegen alle Physik, anders können wir die Spurenlage aber nicht erklären. Das war’s dann zum Glück auch mit Schäden – ist ja auch das Schöne am Sand – soviel kann da nicht kaputt gehen… zum Schluss die Frage von Omar: „Wunderbar?!?“ können wir ehrlich beantworten: „Wunderbar!!!“ und natürlich mit dem hier allgegenwärtigen Daumen-hoch-Zeichen.

Die Box hoppelt in Sand

Während die Landschleicher sich auf den Weg nach Marrakech machen, bleiben wir noch eine Nacht auf dem Camp, der Wind wird so stark, dass es draußen sehr ungemütlich wird und wir uns in die Box verziehen. Marcel hat Blut beziehungsweise Sand geleckt und will am nächsten Tag gleich nochmal in die Dünen. Wir aber haben ja gelernt auf den Wind zu hören und lassen uns nach Zagora blasen. Dort auf dem Campingplatz gibt es eine heiße Dusche mit richtig Druck – richtiger Luxus! 

Morgen soll es nach Ouarzazate gehen, dort gibt es einen westlichen Supermarkt Carrefour und es ist wohl insgesamt recht westlich angehaucht. Wir wollen da ein paar Tage bleiben, bevor es auf die spannende Passage über den Hohen Atlas geht. 

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Eine Antwort zu „Wunderbar!“

  1. Immer wieder so schön hier von Euch zu lesen- incl. Fernweh!
    Tolle Bilder / Tolle Texte
    Liebe Grüsse Annette


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