Noch niemals war ich in einer Region, wo Weihnachten so wenig Rolle spielt wie hier in Marokko. Nirgendwo wird Whams Last Christmas gedudelt, es gibt keine Weihnachtsbäume, keinen Schmuck, keine Lichterketten, keinen Kunstschnee, keinen Glühwein. Keinen Drang, noch letzte Geschenke zu besorgen, kein Krippenspiel, keine Dominosteine oder Schokoweihnachtsmänner – einfach gar nichts davon. Ich kann nicht behaupten, dass mir das alles fehlt (ok vielleicht die süßen Dominosteine) – im Gegenteil finde ich es sogar sehr erholsam, dem ganzen Trubel einmal entkommen zu sein.
Beziehungsweise den einen Trubel durch einen anderen Trubel zu ersetzen – denn in Marrakech ist schon ordentlich was los!
Aber erstmal der Reihe nach.
Am Plage Mrizika ein wenig südlich von El Jadida ging es so geruhsam und entspannt zu, da sind wir unsere bisher längste Zeit am Stück geblieben, 6 Nächte voller Sand, Düne, Sonne, Nichtstun, Lagerfeuer, Campertratsch. Die tägliche Show der im Sand Festgefahrenen, die von dem Campingplatzleuten mit viel Einsatz immer wieder befreit wurden, war die einzige Unterhaltung. In diesem Land, wo immer irgendwo irgendwas herumwuselt, passiert oder deine Aufmerksamkeit will, ist das allein schon ein Erholungsfaktor. Und die Menschen an dem Platz, sowohl die Campingplatzfamilie als auch die Gäste, haben ihren großen Teil dazu beigetragen. Die Landschleicher, die uns hier her gelotst hatten, waren genauso tiefenentspannt wie wir und sind auch eine Woche geblieben.
Vielleicht wär es auch noch länger gegangen, aber wir hatten einen Termin! Samstag vor Weihnachten kam unser Geschenk an, in Form unserer drei Söhne am Flughafen Marrakech. Also Freitag ein schneller Ritt, von der Küste in die Großstadt, links und rechts nur steinige Landschaft mit nix drin.
Die Pilotin gibt Gas, hier gibt es nichts zu sehen, außerdem wollen wir ja noch einen Platz in „Le Relais“ ergattern, der Campingplatz ist über Weihnachten immer gut belegt. Wir schaffen die Strecke in Rekordzeit (so wie Google Maps es vorhersagt- in der Regel schlagen wir 10min pro Stunde drauf) und trotzdem ohne Begegnung mit blitzenden Polizisten. Und wir finden also ein schönes Plätzchen, abends essen wir mit den Landschleichern im Lokal. Auch sie erwarten über die Feiertage Familie, überhaupt scheint das bei vielen Marokko Campern so der Fall zu sein.
Am Samstag Abend trudeln die Jungs dann tatsächlich ein und beziehen ihr „Beduinen“Zelt direkt am Pool (beides jahreszeitlich stimmig etwas kühl). Wir freuen uns sehr, dass wir jetzt wieder beisammen sind. Tom ist ja inzwischen in Rom, auch Nick seit Jahresbeginn ausgezogen, da sehen wir uns alle zusammen nicht mehr so oft. Sehr schön!
Am nächsten Tag bekommen die Kinder dann gleich eine geballte Ladung Marrakech vorgesetzt. Wir nehmen den Linienbus in die Stadt zum Jardin Majorelle von Yves Saint Laurent. Ruhig anfangen in einem schönen Garten war die Idee. Was wir nicht wussten, dass dieser Garten die meistbesuchte Sehenswürdigkeit von Marrakech ist. Da ist so wahnsinnig viel los und es gibt keine Tickets mehr, dass wir uns kurzerhand umorientieren und doch in die Medina hineinspringen.
Vielleicht liegt es am Rollstuhl, mit dem ich von den Söhnen abwechselnd geschoben werde, aber wir werden eigentlich gar nicht angehauen oder angequatscht, viel weniger als in Reiseführern gewarnt wird.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir an einer wenig touristischen Ecke anfangen. Es ist lustig und aufregend, locker und lecker. Im Gegensatz zu den bisherigen Medinas sind hier leider Mopeds erlaubt, und die stinken und lärmen im halsbrecherischen Tempo um jede Ecke. Oder auch mal ein Porsche.
Wir finden ein Rooftop Café für eine kleine Erholung, dann tauchen wir weiter ein in den Trubel. Das ganze spitzt sich zu in Richtung des Gauklerplatzes, und hier ist dann volle Lotte Basar Alarm, mit Schlangenbeschwörern, dressierten Affen, Henna-Tätowiererinnen und Sonnenbrillenverkäufern… das wird dann doch allen etwas zuviel: schnell weg!
Abends gehen wir noch mal ins Campingplatz Lokal – hier gibt es nämlich Käsefondue! Nachdem wir Weihnachten im Engadin gerne zum Fondue essen gehen, fanden wir das in Marrakech gerade die richtige Portion Tradition.
Tags drauf starten wir nur langsam in den Tag, dann geht es nochmals in die Medina – diesmal mit ein wenig Kultur. Wir sehen uns die alten Saaider Gräber an und das ehemalige jüdische Viertel.
Dort kommen wir auch in einen recht heruntergekommenen, ärmlichen Teil der Stadt. Dann wieder in eine Ecke, wo große Tischlereien und Werkstätten angesiedelt sind. Der Abstand zwischen traumhaft schön und erschreckend krass ist so oft nur eine kleine Gasse.
Abends kocht Conny und Nick mixt uns Drinks, wir haben einen lustigen Abend mit Kartenspiel.
Am 24. besuchen wir zuerst das Ensemble Artinasal, wo landestypische Handwerkskunst zu festen fairen Preisen angeboten werden und die Jungs sich mit Souvenirs eindecken, dann schlendern wir nochmal durch die Medina, wo wir dann in einem tollen vegetarischen Restaurant auf dem Dach im Sonnenuntergang unser Weihnachtsdinner feiern.
Ohne Baum, ohne Gesang, ohne Bescherung. Völlig anders, völlig entspannt völlig zufrieden.
Frohe Weihnachten allerseits!
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