Abends schaue ich mir in Google Maps die Satellitenansicht der Medina von Fes an. Ich bekomme ein wenig Angst: das sieht aus wie ein riesiges Labyrinth aus unzähligen Gassen und Höfen und Winkeln und Ecken.
Aber einer hat gezählt: angeblich über 12000 Gassen bilden „die größte Fußgängerzone der Welt“. Und kaum eine der Wege hat einen Namen. Klar – am besten lässt man sich treiben, es gibt Schilder und Wege, da könnte man sich einfach mal verlieren und schauen wohin es einen führt. Jedoch bin ich für solche Abenteuer mit dem Rollstuhl doch zu ängstlich, und da hat uns das Angebot vom Campingplatz gefallen: wir werden mit Führer direkt von der Box abgeholt und bekommen mit ihm einen kleinen Einblick in das Chaos.
Ali ist dieser Führer für uns, ein knuffiger 125kg Informatiker mit beginnender Stirnglatze, sehr entspannt und freundlich. Wie versprochen werden wir abgeholt und an einen Zugang zur Medina gebracht, und bevor ich irgendetwas merke, hat Ali schon Mohammed als Rollstuhlschieber engagiert. Mohammed ist super aufmerksam und vorsichtig, schiebt mich die nächsten Stunden durchs Gewühl, ich fühle mich völlig sicher. Und Conny hat keinen Stress und die Hände frei. Für uns hat sich das alleine schon gelohnt!
Jeder wird in Fes abgezockt hat uns ein Camper vorgewarnt, und letztendlich werden wir das auch, aber irgendwie ist es nicht wirklich schlimm, bei allem Geschäftlemachen bleibt ein Feelgood, es bleibt positiv. Ali führt uns nur in drei Geschäfte, wo wir in teure Geschäfte komplimentiert werden, aber irgendwas tolles oder schönes ist trotzdem immer dabei.
Besonders die über tausendjährige Welterbe Gerberei, die wir vom 4. Stock von einer Terrasse besichtigen, bleibt in Erinnerung, der Anblick ist einmalig. Und das allerbeste allerfeinste Leder stammt vom Kamelbauch, lernen wir. Das schicke unpraktische Herrenhandtäschchen aus dem wirklich tollen weichen Camelbelly handle ich super runter, erst beim bezahlen wird allerdings klar dass es sich um Euro und nicht um Dhiram handelt…
Egal, der Ausflug und die Fahrt haben sich für uns 100x gelohnt.
Die Pilotin hat gehörig die Schnauze voll von den inländischen Temperaturen (die Onlinestunden immer einstellig), also geht’s jetzt im Sauseschritt zur Küste, der schnellstmögliche Weg über Autobahn Richtung Rabat und zehn Grad mehr auf dem Thermometer.
Kurz vor der Küste finden wir ein Plätzchen in einem weitläufigen Korkeichenwald, Starlink läuft – also kann Conny die Freitagmorgenkurse halten, und sogar die Schafherde kommt freundlicherweise erst hinterher schauen was wir da so treiben.
Wir umschiffen die Stadt Rabat und suchen einen Übernachtungsplatz kurz vor Casablanca am Meer. Auch wenn die Stelle eigentlich sehr toll ist- ein riesiger Strand und wir direkt davor, in zehn Schritten bin ich im Sand – sind wir einigermaßen abgestoßen: überall Unmengen von Müll, Scherben und Plastik, zwischen hochgezogenen unbewohnten Wohnbauprojekten neben Bauruinen zweifelhafter Optik, irgendwie fühlt man sich in einem verlorenen Land, hier läuft irgendwas schief, mit Immobilien und Entsorgung. Am nächsten Morgen also: nichts wie weg hier!
Zum Glück haben die Landschleicher uns kontaktiert und von dem Seele-baumeln-Platz erzählt, und wieder gibt die Pilotin Gas, Casablanca wird umschifft und hinter El Jadida landen wir auf der „landschaftlich schönen Straße“ an der Küste entlang Richtung Süden. Die beeindruckenden Wellen des Atlantik krachen hier ans Land, wir werden fast automatisch entspannter. Und das Camp Mrizika entpuppt sich wie erhofft als genau den Ort den wir jetzt brauchen: wieder mal die Seele nachkommen lassen, im (sauberen!) Sand die Füße, rauf die Düne, Lagerfeuer mit den Overlandern, mal nicht nach dem nächsten Ziel schauen, einfach bleiben…
Wir sind schon zwei Nächte hier, am 21. erwarten wir unsere Söhne in Marrakech, und die Chancen stehen gut, dass wir solange erstmal hier bleiben.
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